Vertragsmanagement

Die strategische Bedeutung des Vertragsmanagements

In meiner anwaltlichen Praxis erlebe ich häufig, dass der Vertragsschluss – insbesondere bei jungen Unternehmen – als ein nachgelagerter, administrativer Schritt angesehen wird. Die wirtschaftliche Einigung, der sogenannte „Deal“, steht im Vordergrund. Ich werde als Rechtsanwalt oft erst spät in diesem Prozess hinzugezogen, um die bereits getroffene Einigung rechtlich zu formalisieren und „wasserdicht“ zu machen.

Diese Vorgehensweise birgt erhebliche Risiken.

Der Vertrag als Definition des „Deals“

Dabei wird übersehen, dass der Vertrag nicht nur eine Formalität nach dem Deal ist, sondern die präzise rechtliche und kaufmännische Definition des Deals selbst.

Analyse der rechtlichen Implikationen: Was will der Mandant?

Bevor überhaupt ein Vertragstext entstehen kann, besteht meine primäre Aufgabe in der Analyse: Was ist das konkret gewollte Ziel?

Ein Mandant formuliert oft ein wirtschaftliches Ziel (z.B. „Wir wollen mit Firma X kooperieren“ oder „Wir starten einen Webshop“). Meine Aufgabe ist es, dieses Ziel in seine rechtlich relevanten Bestandteile zu zerlegen.

Dabei zeige ich die Implikationen auf, die dem Mandanten oft nicht bewusst sind. Ein Beispiel:

  • Wirtschaftliches Ziel: „Zwei Unternehmen wollen ein gemeinsames Projekt stemmen.“
  • Rechtliche Implikation (Implizites Wollen): Sie gründen damit unter Umständen unbeabsichtigt eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Dies hat zur Folge, dass beide Partner unbeschränkt persönlich haften.

Hier muss ich klären: Wenn Sie das wirtschaftliche Ziel (Kooperation) wollen, wollen Sie dann auch implizit die rechtliche Konsequenz (unbeschränkte Haftung)? Oder müssen wir eine andere Struktur (z.B. eine GmbH, einen klaren Werkvertrag) wählen, um genau diese Implikation zu vermeiden?

Dieser Klärungsprozess – das „Herausarbeiten“ des konkreten, rechtlich relevanten Willens – ist der entscheidende erste Schritt. Er stellt sicher, dass der Vertrag nicht nur das Gesagte, sondern auch das Gemeinte (und dessen Konsequenzen) abbildet.

Das sind Fragen, die an den Anfang der vertraglichen Annäherung gehören. Wenn man sie erst am Ende aufwirft, wird damit oft der gesamte bisherige Verhandlungsprozess über den Haufen geworfen – und ein erfolgreicher Abschluss ist in Gefahr.

Funktionen des strategischen Vertragsmanagements

Nach dieser Klärungsphase beginnt die eigentliche Vertragsgestaltung, die ich als systematische Steuerung von Rechten und Pflichten verstehe. Die Kernfunktionen sind dabei:

  1. Risikomanagement: Die Definition von Konsequenzen bei Nichterfüllung (z.B. Lieferverzug bei Softwareprojekten), die Regelung von Haftung und Gewährleistung sowie die Planung für „Worst-Case“-Szenarien.
  2. Definition des Leistungsumfangs: Die präzise Beschreibung von Rechten und Pflichten (z.B. Abnahmekriterien bei IT-Projekten oder im Werkvertragsrecht), um spätere Auslegungsstreitigkeiten zu vermeiden.
  3. Wertsicherung: Die rechtliche Absicherung der eigenen Vergütung und der Schutz des geistigen Eigentums (Know-how, Marken, Urheberrechte).

Die wirtschaftliche Dimension

Die wirtschaftliche Relevanz wird oft unterschätzt. Studien der „World Commerce & Contracting“ (WorldCC), einer führenden globalen Autorität für Vertragsmanagement, belegen, dass Unternehmen durch ineffiziente Vertragsprozesse durchschnittlich 9 % ihres Jahresumsatzes verlieren.

Dieser „Value Leakage“ (Wertverlust) entsteht beispielsweise durch unklare Leistungsbeschreibungen, verpasste Fristen (z.B. Kündigungs- oder Verlängerungsoptionen), nicht durchgesetzte Ansprüche oder vermeidbare rechtliche Auseinandersetzungen.

Voraussetzungen für eine effektive Zusammenarbeit

Eine frühzeitige Einbindung meiner rechtlichen Expertise in den Verhandlungsprozess ist daher essenziell. Natürlich gilt aber auch: Besser spät als nie.

Dieser Prozess erfordert von Ihnen als Mandant und Ihren Mitarbeitern die Bereitschaft, folgende Punkte offen zu diskutieren:

  • Definition von Störfall-Szenarien: Was geschieht bei Insolvenz des Partners, bei gravierenden Leistungsstörungen oder bei einer vorzeitigen Beendigung der Kooperation?
  • Priorisierung der rechtlichen Ziele: Aufbauend auf der Analyse (z.B. Haftungsvermeidung vs. Schutz des Know-hows) müssen die Prioritäten für die Verhandlung festgelegt werden.
  • Verhandlungsbereitschaft: Rechtliche Klauseln (Haftung, Fristen, IP-Rechte) sind keine Nebensächlichkeiten, sondern Kernbestandteile der wirtschaftlichen Einigung und müssen oft ebenso verhandelt werden wie der Preis.
  • Implementierung interner Prozesse: Ein Vertrag muss im Unternehmen gelebt werden. Verantwortlichkeiten für Fristenkontrolle, Abnahmen und die Geltungmachung von Ansprüchen müssen klar definiert sein.

Zusammenfassend sehe ich strategisches Vertragsmanagement als eine Kernfunktion der Unternehmensführung. Es minimiert Risiken und sichert den wirtschaftlichen Erfolg von Geschäftsbeziehungen. Die frühzeitige Integration meiner Expertise – beginnend mit der Analyse Ihres konkreten rechtlichen Willens – ist dafür eine notwendige Voraussetzung.

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